DER SOMMER 2010 KANN NUR NOCH SCHÖNER WERDEN... EINE KLEINE SCHREIBE ZUM FESTIVAL AM SCHLUSS 10.

Time to start to soon... Time to start to soon.. nntt..nnttt.. Diese Soundfragmente aus dem Titelsong des Live Albums <Celebration> von Madonna, drehen mir seit Tagen im Kopf... Endlosschleife! Der Song baut auf einem so berühmten ABBA Song auf, dass man dessen Titel nicht mehr zu kennen braucht. Musik zum Arbeiten und arbeiten für die Musik das sind meine Themen in diesen Tagen. Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. (Karl Valentin)
Es ist Dienstag 20. Juli 2010 anfangs Nachmittag, noch 30 Stunden bis zum Start des Festivals AM SCHLUSS 10... Wir liegen einigermassen im Fahrplan und der Stress war zum Glück auch schon grösser... Was immer ist und vom Gefühl her jedes Jahr zunimmt, ist die Ungewissheit, die Zweifel ob es wirklich gut kommt, ob dann auch Leute an das erste Konzert kommen? Wie wäre es, wenn der Platz am ersten Konzert Abend nur halb oder noch schlechter gefüllt wäre? Wie kommt es dieses Jahr? Werden wir auch die wirtschaftlichen Abstürze erleben, die wir sie seit Monaten am Rande der Innenstadt zu spüren bekommen?
Ist die Mischung des Musikprogrammes kompatibel mit der Innenstadt und der Trinkkultur die dort immer mehr gefestigt wird? Werden die Leute auch dieses Jahr Spenden oder haben sie ihr ganzes Geld schon bei Muse, AC/DC, Pink oder an einem der zahlreichen Kommerzanlässen mit denen die Schweiz Sommer für Sommer überzogen wird (Tendenz steigend) ausgegeben? Solche und andere Gedanken können einen Veranstalter in den Wahnsinn treiben, ihm die Magennerven entzünden oder weiss nicht was alles... sicher sind sie nicht gesund.

Während Madonna immer noch weiter auf <Celebration> macht, kann ich mich, während des Schreibens, vom Ventilator ein wenig abkühlen lassen und ein letztes Mal Abstand nehmen von der Arbeit für das Festival. Spätestens heute Abend muss alles soweit parat sein, damit wir morgen Mittwoch 21. Juli 2010 auch zur <Celebration> schreiten können.
Unser Festival ist zwar nur ein kleines Teil im immer grösser werdenden Event-Markt, unser gesamt Budget entspricht in etwa einer Konzertgage eines, im mittleren Segment liegenden, Headliners des Gurten oder des Paléo-Festivals. Für mich aber ist das Festival AM SCHLUSS eine volle Packung die neben der normalen Club-Arbeit getan werden muss und die auch immer von der Befindlichkeit unseres Clubs abhängig ist... und diese war in den letzten 6 Monaten ziemlich desolat. Es war schlicht und einfach die schlimmste Zeit meines Lebens... so etwas wünscht man niemandem, nicht einmal seinem grössten Feind. Man wird dabei hart im Nehmen und es bleibt einem nichts anderes als die Flucht nach vorne, auf zu neuen Ufern:
Grenzen überschreiten, vorwärts: Time to start to soon. Diese Geschichten manifestieren sich im Festival-Programm, das dieses Jahr aus verschiedenen Gründen anders geworden ist als anderer Jahre… es ist mehr Wagnis darin, mehr Wille zu neuen Wegen, alles mit dem Wissen, dass das Publikum mittlerweile auf meine Programmation vertraut und auch bereit ist hinzuhören, auch wenn Mann/Frau die Band, die Künstlerin, den Künstler nicht kennt und noch nie von ihr/ihm gehört hat. Mir gefällt dieses Vertrauen des Publikums, gleichzeitig erzeugt diese Vertrauen aber auch Druck, wirklich gute Entscheidungen zu treffen.

Prägend für die Programmation unseres Festivals sind mehrere Faktoren... Als erster ist es unser beschränktes Budget, das einen stabilen Rahmen setzt... MC vergiss es.. EELS chasch itz nid zahle... vielleicht könnte man sie bezahlen, aber Marc Oliver Everett promotet sein neustes Album ausgiebig ab dem 3. August 2010 in Japan, Australien, dann quer durch Europa mit einem Schweizerhalt an den Winterthurer Musikwochen... und da sind wir auch schon beim 2. Faktor, der Verfügbarkeit eines Acts. Es ist nicht so, dass alle Künstler nur darauf warten bis MC ANLIKER anruft und sie für das Festival AM SCHLUSS buchen will. Das Festival hat 11 Möglichkeiten eine Band dem Thuner Publikum zu präsentieren und da wir als Profis in einer Konzertsaison fast 180 Acts auftreten lassen, haben wir mehr als genügend gute Künstler/innen, die sich mit einer wirklich guten Show ein paar Monate oder Wochen vorher bei mir empfohlen haben. Dann muss eine Band leicht im Handling sein, sie muss zu dem Ort passen, sie muss akzeptieren, dass es in der Garderobe keinen Wasserhahn gibt, dass das WC im Nebengebäude zu benutzen ist und die Gage nicht so hoch ist wie sonst an einem <Festival>, weil nur schon das Wort <Festival> eine Gage um 1000.- € höher macht... Dann muss aber auch die Musik auf den Platz passen... und das wird immer schwieriger, wird doch der Platz immer mehr zur reinen Abhäng- und Abpumpstation und THUN immer mehr zur STADT DER TRINKER.. Schon an einem Sommerferien-Montagabend tummeln sich Kinder mit Bierbüchsen unter den Trauerweiden, und bieten ein Trauerspiel für Laienschauspieler der Juniorenklasse und im Bewusstsein der ansässigen Wirte, braucht es sowieso schon lange kein Festival auf dem Platz, warum auch? Wir haben ja schon ohne Festival den Platz voll, was solls....

Der Rahmen von AM SCHLUSS wird also von mehreren Seiten gegeben und prägt das Programm, was nicht nur schlecht ist... Jedes Jahr ist das Anfangen mit den Arbeiten auf dem Platz vollständig anders.s. dieses Jahr war die Begrüssung auf dem Thuner Mühleplatz alles andere als freundlich, man erhält nicht das Gefühl von willkommen zu sein, es gibt kaum entgegenkommen oder Verständnis und man kommt sich wie ein Einbrecher vor... zwar definitiv nicht in eine heile Welt, aber in eine andere Welt. Nächstes Jahr machen wir den Aufbau unterirdisch und tauchen erst am Eröffnungstag, 10 Minuten vor Showtime aus der Tiefe hoch... das wird zwar etwas mehr kosten, aber wir stören dann zumindest niemandem beim Warten auf Gäste.. warten auf Gäste... warten auf Gäste... warten auf Gäste.... (immer langsamer... immer leiser... rezitieren.... ) Eigentlich will Ich ja nur 2-3 Tage Aufbauen, dann 11x eine Show fahren, Leute aus Thun und Umgebung glücklich machen, Arbeitsplätze erhalten und temporäre schaffen, Künstler/innen verwöhnen und ihnen einen super Eindruck von der kleinen Stadt Thun vermitteln und dann... 1 Tag abräumen.. und tschüss, ab und zurück in unser Ghetto, zurück zum brotlosen betreiben eines Musikclubs 300 Meter vom Gastro-Epizentrum Mühleplatz entfernt. So Einfach ist das.

In unserer Nachbarschaft gibt es einen älteren Mann der täglich den Problemen in seinem Leben aus dem Weg geht, indem er jeweils über die Strasse geht um die öffentliche Toilette zu benutzen, statt zuhause zu scheissen... Man sagt, das er eine böse Frau hat, die in einem Sauberkeits-Wahn gefangen ist und er es vorzieht in die versiffte öffentliche Toilette mit Blaulicht zu gehen um sich Erleichterung zu verschaffen... klar ist er auf Alkohol und vielleicht hat er keinen sauberen Strahl mehr beim Bisle und verspritzt dann immer die ganze Toilette samt Badewanne und Fenstersims, was sicher nicht sehr appetitlich ist... Was hätte dieses Paar gemacht, wenn sie keine öffentliche Toilette vis a vis des Hauses gehabt hätten??? Hätte er vielleicht einen Alkohlentzug gemacht? Oder wäre es soweit gekommen, das sie ihn eines Tages mit dem Stiel der Fegbürste jämmerlich erschlagen hätte... wir wissen es nicht.. und werden es wohl auch nie erfahren. Ihr Fragt euch jetzt sowieso, was das soll mit dieser Abschweifung, vom Festival zum Drama eines vereinsamten Paares mitten in unserer Gesellschaft???

Mit unserer Arbeit in der Stadtmitte wollen wir die Dramen in unserer unmittelbaren Umgebung verhindern, wollen die Menschen zusammenführen, ihnen schöne Stunden ermöglichen, ohne gleich hunderte Franken in die Hand nehmen zu müssen, denn auch öffentliche Toiletten müssen Gratis sein und bleiben, genauso wie es Wasser als Allgemeingut geben muss, auch in Zukunft. Die grosse Kunst beim Planen und Programmieren unseres Festivals ist, nicht jedes Jahr noch etwas grösser zu werden und ein auf lokales Publikum ausgerichteter Anlass zu bleiben, klein, fein, überblick bar und menschenfreundlich. Das ist uns dieses Jahr auch wieder gelungen, das wage ich hier zu behaupten. Wir haben zwar eine neue, sehr schöne Bühne, die dem Platz sofort einen Professionelleren Rahmen gibt, aber der Rest ist wie immer: Werbefrei und schön Beleuchtet, Gratis Eintritt und Moralische Spendenpflicht.

Wir freuen uns auf die bereits 8. Ausgabe des Festivals und werden alles geben für die seriöse Durchführung dieses uns sehr liebgewordenen Anlasses... wie immer.

Alle Infos und Texte zu den Konzerten findet ihr auf WWW.AMSCHLUSS.CH, der schönen Website aus der kleinen Stadt am Rande der grossen Alpen.....

Auf das Festival 2010 hebe ich mein Arkina-Fläschen und schicke euch die besten Grüsse.
MC ANLIKER… Juli 2010